Wintercamping
- eve
- Apr 16, 2023
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Kennen Sie den Film „Der Schuh des Manitu“ von und mit Bully Herbig? Ja! Sie fragen sich vielleicht, was das mit Wintercamping zu tun hat. Darauf kommen wir später.
Wir waren bekennende Hotel-Junkies und immer, wenn es Zeit und Geldbeutel erlaubten, gönnten wir uns ein paar Skitage in den Dolomiten in einer schönen Unterkunft. Bis uns die Pandemie den bekannten Strich durch diese Rechnung machte. Wir nahmen das Ganze sehr ernst und blieben zu Hause.
Im dritten Pandemie-Winter, als Hotels und Skilifte wieder wie gewohnt in Betrieb waren, aber die Pandemie eben noch nicht vorbei, übermannte uns die Sehnsucht nach unseren geliebten Skitagen. Für einen Hotelurlaub waren wir allerdings auch noch nicht wieder bereit. Da kam der Chef der Familie mit einer, für uns sehr außergewöhnlichen Idee, ums Eck. Wir könnten uns doch ein Wohnmobil mieten. Gesagt, getan.
Während ich so dasaß und den Mietvertrag unterschrieb, liefen in meinem Kopfkino die Bilder, die ich aus der Vergangenheit in Erinnerung hatte. Während wir durchgewärmt und mit einem üppigen Frühstück vom Hotelbuffet im Magen mit der ersten Liftfahrt den darunter liegenden Campingplatz überquerten, sahen wir seinerzeit reihenweise nackte Oberkörper in der Geschwindigkeit eines Usain Bolt über den Platz Richtung Waschstraße laufen. Damals dachte ich jedes Mal insgeheim: niemals! Irgendwann ist immer das erste Mal und ich unterschrieb den Mietvertrag.
Am Tag X stand das gute Ding dann in voller Pracht vor der Tür. Wir räumten einen Tag lang unsere Küche leer und das Wohnmobil voll. Im Gegensatz zu früher blieb der Hauptteil der Kleidungsstücke daheim. Unser Familienoberhaupt ordnete an, Skianzug und Camper-Smoking sind genug. Und nach der ganzen Räumarbeit in Sachen Küche hatte auch keiner mehr die Energie, sich gegen diese Anweisung zur Wehr zu setzen. Am nächsten Morgen ging es früh los. Der Chef fuhr selbstverständlich selbst und spielte seine ganze Erfahrung als ehemaliger Feuerwehrler und Bundeswehr-LKW-Fahrer aus. Auf die Nachfrage, ob wir denn nicht ein bisschen schnell unterwegs seien, kam die Antwort, das fühle sich hinten auf der Rückbank nur so an. Und jetzt kommt der gute Bully Herbig ins Spiel. Die letzten Kilometer zu unserem Domizil führten über eine sehr kurvenreiche Pass-Straße. Wir kamen uns auf unserer Rückbank vor wie in der Szene als Bully alias „Winnetou“ die Kutsche seines Bruders mit überhöhter Geschwindigkeit über die Prärie lenkte, während hinten auf der Rückbank seine Fahrgäste von umherfliegenden Teilen getroffen und zugleich kräftig durchgeschüttelt wurden. Nicht ohne Stolz verkündete unser Fahrer am Ziel, dass wir nicht länger gebraucht hatten als mit dem Auto. Das hätte er nicht extra erwähnen müssen, das wussten wir auch so!
Von meinem Beobachtungsposten konnte ich nun die nackten, rasenden Oberkörper Richtung Wasch-Straße aus nächster Nähe beobachten. Der Erfinder der Schuhmarke „Crocs“ muss ebenfalls Camper sein... Als ich mich auf den Weg zu unserem gebuchten „Privat-Bad“ (eine Auflage meinerseits für diesen Urlaub) machte, zog ich mich vorschriftsmäßig, der Jahreszeit entsprechend an, bevor ich unser rollendes Heim in Richtung Waschzelle verließ. Dort angekommen zog ich mich aus und nach getaner Arbeit wieder an, um mich im Wohnmobil wieder auszuziehen... Am nächsten Morgen war der Camping-Platz um einen Usain Bolt reicher. ☺ Nach langer Zwangspause hatten wir einen wunderschönen, ersten Skitag und genossen den Tag in vollen Zügen. Am Nachmittag wurde es der Jahreszeit und der Meereshöhe entsprechend empfindlich kalt und in den letzten zwei Stunden auf der Piste träumte ich von der heißen Dusche, die mich jetzt gleich erwarten würde.
An unserem Motorhome angekommen, stellten wir fest, dass nicht nur meine Zehen eingefroren waren, sondern auch die Wasserleitungen am Wohnmobil. Der Begriff „Aktiv-Urlaub“ bekam plötzlich eine ganz neue Bedeutung. Nach zwei Stunden harter Arbeit waren die Wasserleitungen und auch meine Zehen wieder aufgetaut. Da uns der Hunger übermannte, verschob ich meine heiße Dusche auf unbestimmte Zeit. Eine der schönen Erfahrungen eines solchen Urlaubs – es ist unglaublich, wie wenig man eigentlich wirklich braucht. Während wir lautstark mit Wolfgang Ambros sein legendäres Lied „Schifoan“ zum Besten gaben (gut, dass wir Wintercamping machten), kochten wir gemeinsam Spaghetti und probierten währenddessen schon fleißig den italienischen Rotwein. Nach ein paar unvergesslichen Tagen im Schnee waren wir um viele positive Erfahrungen reicher und traten glücklich die Heimreise an.
Wenn ich mittlerweile hinter einem Wohnmobil herfahre, das mal wieder den fließenden Verkehr zum Erliegen bringt, denke ich an unseren Höllenritt – das geht auch mit ein bisschen mehr Schwung meine Damen und Herren!

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